Lausanner Start-up will Industrie beim Umstieg auf Solarwärme helfen
Die Industrie ist verantwortlich für fast einen Drittel des weltweiten Energieverbrauchs, drei Viertel davon sind auf Prozesswärme zurückzuführen. Statt durch fossile Brennstoffe lässt sich diese Wärme auch nachhaltig produzieren: durch Solarthermie. Vor allem durch die Technologie der konzentrierenden Solarkollektoren kann die Sonnenwärme effizient genutzt werden.
Konzentrierende Kollektoren nutzen Spiegel oder Linsen, um die Sonneneinstrahlung auf einen Receiver zu konzentrieren. Dieser Receiver ist eine Röhre, durch die eine Flüssigkeit, zum Beispiel Wasser oder Öl, fliesst. Die Flüssigkeit wird durch die konzentrierte Sonnenstrahlung erhitzt und durch die Röhren zum Verbraucher transportiert, wo sie die Wärme abgibt.
Die Receiverröhre ist die Schlüsselkomponente des Solarkollektors. Durch eine spezielle Beschichtung kann diese Röhre sehr hohe Temperaturen erzielen, die es für industrielle Prozesse braucht. Doch herkömmliche Beschichtungen oxidieren und zersetzen sich bei hohen Temperaturen an der Luft, verlieren an Wirkungsgrad, müssen dann ausgetauscht werden und verursachen dadurch hohe Wartungskosten. Ausserdem werden sie häufig unter Verwendung gefährlicher Chemikalien hergestellt.
Effiziente und kostengünstige Beschichtungen aus Lausanne
Das Lausanner Start-up Solaxer hat in einem Labor der EPFL unter der Leitung von Andreas Schüler eine spezielle Beschichtung entwickelt, die den Wirkungsgrad der Receiver erhöht und auch bei Temperaturen bis 400 Grad nicht oxidiert. Gegründet wurde Solaxer Anfang 2023 von zwei Forschenden der EPFL, Anna Krammer und Maxime Lagier.
«Auch wenn zurzeit jeder von Strom spricht, das Thema Wärme führt bisher leider immer noch ein Schattendasein», sagt Anna Krammer. Die Expertin für dünne Beschichtungen und ihr Geschäftspartner haben sich zum Ziel gesetzt, der führende europäische Anbieter von hochwertigen Solarreceivern zu werden. «Wir möchten der Industrie dabei helfen, ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Dank unseres kostengünstigen Herstellungsverfahrens sind unsere Receiver weltweit wettbewerbsfähig», sagt Anna Krammer.
Solaxer verwendet für ihre Beschichtung schwarzen Spinell – ein Oxidmineral, das auch als beständiger Edelstein bekannt ist. Das Material hält höhere Temperaturen aus als herkömmliche Beschichtungen. «Für Solarthermieanlagen in der Industrie braucht man ein hitzebeständiges Material, das lange hält.» Die Beschichtung ist beim Auftragen auf die Röhre durchsichtig. Sobald das Material erhitzt wird, wird es tiefschwarz und kann Sonnenenergie sehr wirksam absorbieren.
«Dank der Unterstützung durch BRIDGE hatten wir genug Zeit, die Forschungsresultate so aufzubereiten, um Investoren künftig von unserem Produkt überzeugen zu können.»
Anna Krammer
Mitgründerin des Start-ups Solaxer
Forschungsresultate für Start-up-Gründung dank BRIDGE-Unterstützung
Bei der wissenschaftlichen Aufbauarbeit des Start-ups Solaxer konnte Anna Krammer auf Unterstützung durch das BRIDGE-Programm zählen. BRIDGE ist ein gemeinsames Förderangebot von Innosuisse und dem Schweizerischen Nationalfonds. Die Förderung durch BRIDGE umfasste Anna Krammers Lohn, aber auch Mittel, die das junge Unternehmen für den Bau eines ersten Pilots – eine Maschine für die Herstellung von beschichteten Receiverröhren – einsetzen konnte. «Durch die Unterstützung durch BRIDGE hatten wir genug Zeit, die Forschungsresultate so aufzubereiten, um Investoren von unserem Produkt überzeugen zu können.» Die Solaxer-Beschichtung ist durch ein europäisches Patent geschützt.
Mit dem ersten Prototyp konnten die beiden Start-up-Gründer Röhren mit bis zu zwei Metern Länge produzieren. Ein zweiter Prototyp, der seit Anfang 2023 in Betrieb ist, erlaubt eine Produktion von Röhren bis drei Metern Länge am Stück. «Das ist noch keine industrielle Produktion, aber damit können wir pro Jahr Receiverröhren in einer Gesamtlänge von bis zu 5000 Meter produzieren.»
Das gibt dem Start-up neue Möglichkeiten, um mit Kundinnen und Kunden ins Gespräch zu kommen. Interessant sind Solarthermieanlagen zum Beispiel für Hersteller von Getränken, Nahrungsmitteln, Textilien oder Papier sowie für die Pharmaindustrie. «Einer unserer Kunden hat sich schon für sechs Meter lange Stücke interessiert.» Denn je weniger Röhren am Schluss miteinander verbunden werden müssen, desto effizienter wird die Solarthermieanlage.
Anna und Maxime haben auch ein Innosuisse Start-up-Training an der EPFL besucht: «Wir hatten beide kaum Ahnung von wirtschaftlichen Aspekten. Der Kurs war intensiv und sehr hilfreich für uns. Nach dem Kurs hielten wir gleich unseren ersten Pitch, der wie ein Katalysator wirkte. Wir trafen viele wichtige Personen und merkten, wie wichtig es ist, Interviews zu führen.»
Wissenstransfer: Von der Hochschule direkt in die Industrie
Anna Krammer hat eine Ausbildung in Chemietechnik und Materialwissenschaften. Die gebürtige Rumänin studierte im Rahmen des Erasmusprogramms in Frankreich und Deutschland, bevor sie als Forschungspraktikantin an die EPFL kam, wo sie promovierte und als Postdoktorandin weiterarbeitete.
Nach ihrer Doktorarbeit erhielt sie ein Wissenschaftsmandat beim Unternehmen Kromatix AG, das aus der EPFL hervorging. Nach einem Jahr erhielt sie beim Technologieunternehmen in Romont FR eine feste Stelle als F&E-Ingenieurin, wo sie auch heute noch ein Teilzeitpensum hat – neben ihrer Arbeit fürs eigene Start-up Solaxer und für die EPFL.
«Ein kreativer Beruf»
Nächstes Ziel des Start-ups Solaxer ist es, zwei bis drei Solarthermieanlagen mit seinen Receiverröhren auszustatten, zum Beispiel für eine Bierbrauerei. «Es braucht keine grosse Anlage zu sein, wir möchten einfach eine Demonstrationsanlage haben, um Investoren zu finden.»
Anna Krammer weiss, dass das noch ein langer Weg ist. Die Materialwissenschaftlerin und Start-up-Gründerin könnte sich aber keinen besseren Beruf vorstellen: «Ich arbeite mit spannenden Materialien und entdecke immer wieder Neues, das hält mich auf Trab. Und als Tüpfelchen auf dem i: Mit unserer Arbeit im Bereich der Solarenergie entwickeln wir etwas Nachhaltiges und arbeiten in einem Feld, in dem alle nach einer Lösung suchen.»
Unterstützung durch Innosuisse
- BRIDGE – Proof of Concept
- Start-up Training, Modul 2: Business Concept