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Das Jahresmagazin von Innosuisse 2022

Themenbeitrag

Schweizer KMU und Innovationen

Stimmen aus der Wirtschaft

Wie gehen Schweizer KMU mit Innovationen um? Drei Firmenverantwortliche geben Einblick in ihre neuartigen Ansätze im Bereich Soziales, Digitalisierung und bei einem traditionellen Maschinenhersteller. Sie erzählen, warum ihr Unternehmen auf neue Entwicklungen setzt, was das für Folgen hat und wie ihnen Innosuisse bei ihren Projekten hilft.

Barbara Spörri

Geschäftsführerin lifetime health GmbH und Programmleiterin Startrampe

Das KMU lifetime health aus dem zürcherischen Wetzikon bietet schweizweit Angebote im Bereich der Gesundheitsförderung und Arbeitsintegration, unter anderem das Programm «Startrampe», welches Menschen auf dem Weg (zurück) in die Arbeitswelt befähigt.

«In der Schweiz hat fast jeder sechste Jugendliche nach der obligatorischen Schulzeit keine weiterführende berufliche Lösung. Junge Menschen, die keine Anschlusslösung gefunden haben, sind deutlich häufiger von psychischen Beeinträchtigungen und Erkrankungen betroffen als solche, die eine Lehre beginnen oder eine weiterführende Schule besuchen. Vor diesem Hintergrund erarbeiteten wir zusammen mit Professorin Agnes von Wyl und Dr. Filomena Sabatella von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW eine innovative Lösung für eine bessere Arbeitsintegration für junge Menschen.

Für das «inklusiv plus»-Projekt ergänzten wir unser bestehendes Startrampe-Betreuungsteam während zwei Jahren mit einem Psychotherapeuten. Dieser war wöchentlich vor Ort und tauschte sich mit dem Team und den 16- bis 29-jährigen Klientinnen und Klienten aus. Ziel war, jungen Menschen, meist mit verschiedenen psychologischen und sozialen Herausforderungen, einen niederschwelligen Zugang zu einer Gruppentherapie anzubieten. Die Gruppentreffen basierten auf dem Positive Peer Culture Ansatz und wurden vom Psychotherapeuten begleitet und moderiert. Worüber die Teilnehmenden sprechen wollten, entschieden sie jeweils selbst. Die Idee war, dass sie sich gegenseitig unterstützen und von ihren Erfahrungen profitieren.

Für uns war die Ergänzung des Arbeitsintegrationsprogramms mit psychotherapeutischen Modulen sehr wertvoll. Bei klassischen Brückenprogrammen gab es so einen innovativen Therapieansatz bisher nicht.

Schon länger hätten wir gerne einen Psychotherapeuten in unserem Team gehabt, jedoch war dies betriebswirtschaftlich nicht möglich. Die Arbeit im Innosuisse-Projekt war für uns eine Gelegenheit, dies zu entwickeln und zu etablieren. Zusammen mit der psychotherapeutischen Fachperson konnten wir im Rahmen des Projekts eine sehr gute Basis schaffen, damit der innovative Therapieansatz bei uns im Team und in den verschiedenen Arbeitsbereichen als Mehrwert anerkannt wird.

Zur Zusammenarbeit mit dem Forschungspartner kamen wir durch unser Netzwerk: Einer unser Kontakte war in ein Arbeitsintegrationsprojekt der Abteilung für Psychologie der ZHAW involviert. Als die ZHAW für das Projekt einen Umsetzungspartner suchte, empfahl er uns. Neben uns waren sonst ausschliesslich öffentliche Brückenangebote beim Projekt mit dabei.

In gewisser Weise ist unsere GmbH ein klassisches KMU: Wir müssen stets auf unsere Finanzen schauen und haben uns über die Jahre stetig vergrössert – inzwischen sind wir 25 Mitarbeitende. Was lifetime health besonders auszeichnet, ist, dass wir unseren Mitarbeitenden viele Mitbestimmungsmöglichkeiten bieten. Zudem befinden wir uns aktuell in der Transformation zur kollegialen Führung, mit welcher wir die Verantwortung auf mehrere Schultern verteilen möchten und die Perspektiven zur persönlichen Weiterentwicklung erweitern.

Wir schätzen die Zusammenarbeit mit der Forschungspartnerin als sehr gut ein und haben viel davon profitiert: Wir erhielten einen Einblick in die neusten Methoden und Studien. Andererseits konnte die ZHAW von den Erkenntnissen profitieren, die bei uns erarbeitet wurden und zurückflossen. Das Innosuisse-Projekt war eine klassische Win-Win-Situation mit wichtigem Wissenstransfer für beide Seiten.

Wir sehen uns als lernende Organisation und werden auch weiterhin mit psychotherapeutischen Ansätzen arbeiten. Der Austausch mit der Wissenschaft war uns immer schon wichtig. Wir haben vor Jahren beim Aufbau eines Nachdiplomsstudiums für die ETH mitgeholfen und erkannnten schon früh, wie wertvoll es ist, mit Hochschulen zusammenzuarbeiten, Innovationen in die Firma zu holen, sich auszutauschen. Unser KMU bietet verschiedene Praktikumsplätze für Hochschulen an. Unsere Praktikantinnen und Praktikanten können bei uns viel lernen, aber auch wir profitieren von ihnen und ihrem Wissen. Sie bringen stets die neusten Methoden in unsere Firma.

Noch vor Projektabschluss haben wir uns 2022 entschieden, dass wir das «Inklusiv plus»-Konzept intern mit eigener Finanzierung weiterführen: Nun ist der Psychotherapeut ein Teil des Teams und bei uns fix einen halben Tag pro Woche anwesend. Er führt weiterhin das Programm mit den jungen Klientinnen und Klienten. Daneben ist er auch Ansprechperson für den fachlichen Austausch mit unseren Coaches und weiteren Fachpersonen. So hat die psychotherapeutische Fachperson in unserem Modul Arbeit zum Beispiel bereits erfolgreich Supervision angeboten und mit den Coaches Lösungswege für herausfordernde Momente in ihrer Arbeit mit den Klientinnen und Klienten gefunden.»

Thomas Zürcher

CEO von MyLiveZone

Das KMU mit 10 Mitarbeitenden bietet Industriefirmen ein Remote Center für Schulungen und Produktpräsentationen an.

«Wir sind als kleines KMU in einem boomenden Markt tätig: War es bei der Gründung vor zwölf Jahren noch schwierig, zu erklären, was wir machen, und geeignete Kundinnen und Kunden zu finden, muss sich der ganze Industriesektor heute für die Themen Digitalisierung und Automatisierung interessieren.

Wir haben den Weg zwischen Gerät, Anbieter und Kundschaft wegdigitalisiert und helfen Unternehmen dabei, Logistikkosten zu minimieren und den Fussabdruck zu verkleinern.

Damit treffen wir den Nerv der Zeit. Wir profitieren heute aber auch, weil wir bereits vor zehn Jahren digital unterwegs waren.

Durch die Unterstützung von Innosuisse sind wir bei der effizienteren Schulung und einer faireren Beurteilung bei der Zertifizierung von Software-Ingenieurinnen und -Ingenieuren einen entscheidenden Schritt vorwärts gekommen. Das hilft in Zeiten von Fachkräftemangel nicht nur unserer Kundschaft – die Zusammenarbeit mit den Forschungspartnern hat sich auch für uns als KMU sehr gelohnt. Ich bin Innosuisse sehr dankbar. Wir haben nun grossartige Resultate, und das Schöne ist, dass sie uns gehören. Auch wenn es keine Patente sind, haben wir eine auf unsere Bedürfnisse abgestimmte Technologie.

Im Rahmen des Projekts haben wir einen gut funktionierenden Prototyp erarbeitet. Als kleines Unternehmen wären wir allein gar nicht in der Lage, solche Innovationen zu entwickeln. Was nun folgt, ist extrem kostenintensiv: Nun bräuchten wir nochmals ein Vielfaches der Projektkosten, bis das Produkt perfekt integriert ist und industrialisiert werden kann. Diesen Part zu stemmen ist als kleines KMU schwierig.

Umso wichtiger sind die Forschungspartner für uns: Mit dem Swiss Innovation Park haben wir den perfekten Partner, der versucht, auf unsere Bedürfnisse einzugehen, der nicht nur stur seine Forschung weiterzieht, sondern versucht, eine Rückkopplung vom Produkt zum Unternehmen zu schaffen.

Unser KMU arbeitet ständig an Innovationen. Wir helfen der Schweizer Wirtschaft dabei, zukunftsfähige Wege zu finden und effizienter zu arbeiten. Wir blasen, salopp gesagt, nicht einfach nur etwas auf, verkaufen es und produzieren weiter. Dazu hatten wir einst die Chance, aber wir entschieden uns, im grossen Stil weiter zu innovieren.

Egal, wie die digitale Zukunft aussieht: Unsere Dienste und Innovationen wird es auch künftig brauchen und wir möchten auch künftig die Schnittstelle zwischen digitaler und realer Welt abdecken. Denn auch ein virtueller Raum muss irgendwo mit dem realen Raum verknüpft werden. Denn wir Menschen vertrauen dem, was echt ist – also einer Maschine, die wirklich dreht und nicht so tut als ob.»

Daniel Felber

Vertriebsleiter bei Agathon

Das traditionelle KMU mit knapp 250 Mitarbeitenden ist Weltmarktführer im Bereich Schleif- und Laserbearbeitungsmaschinen zur Bearbeitung von Wendeschneidplatten.

«Wir arbeiten in einer eher konservativen Branche. Während des Innosuisse-Projektes mit der Universität St. Gallen und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften haben wir uns mehrmals die Frage gestellt, ob der Markt bereit ist für digitale Geschäftsmodelle. Wir haben festgestellt, dass es in der Industrie einen digitalen Wandel gibt, aber er geht langsam voran. Inzwischen haben wir erste Service-Abos für unsere Maschinen verkauft und das Pay-Per-Use-Modell eingeführt.

Wir haben während der 18-monatigen Projektphase vieles gelernt. Wir wollten zum Beispiel am Anfang alle unsere Services als Abos verkaufen und merkten schnell, dass das nicht geht. So sind zum Beispiel bei einigen unserer Kundinnen und Kunden sich automatisch verlängernde Abos, sogenannte «Evergreens», von deren internen Compliance-Weisungen her gar nicht möglich.

Ohne das Innosuisse-Projekt und die «Brainforce» der Forschung hätten wir heute keinen Simulator, mit dem wir unserer Kundschaft das Pay-per-Use-Modell näherbringen können. Das ist ein wichtiger Meilenstein für uns.

Die Arbeit ist mit Abschluss des Projektes für uns nicht getan, wir müssen jetzt einiges umsetzen: Zum Beispiel den Nutzen für die Kundschaft klarer hervorheben, damit unsere Berater die digitalen Modelle einfacher erklären und verkaufen können. Wir sind Techniker und sind gewohnt, Technik zu verkaufen, nicht etwas, das schwer zu fassen ist.

Durch das neue Modell braucht es auch Verstärkung in unserer Marketingabteilung: Um die abstrakteren digitalen Services zu verkaufen, braucht es einfache und klare Unterlagen.

Als Führungskraft hat man in unserem Unternehmen mehrere Hüte auf und ist für viele verschiedene Aufgaben zuständig. Da driftet der Fokus schon mal weg von innovativen Services. Durch die 18-monatige Projektarbeit haben wir uns bewusst Zeit genommen, um an diesen neuen Geschäftsmodellen zu arbeiten, sie intern und extern auf Belastbarkeit zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen. Das war sehr wertvoll.

Was wir nun wissen: Der Markt bestimmt die Geschwindigkeit. Europäische Kunden sind weniger skeptisch als asiatische. Und die letzte wichtige Erkenntnis: Die meisten Kundinnen und Kunden sind noch nicht überzeugt von alternativen Lösungen. Daran arbeiten wir jetzt.»